29 August 2007

Deutsche Bauern durchpflügen Litauen

Kann ein Bauer Karriere machen? Er kann!
Natürlich nicht auf dem heimischen Bauernhof. "Über die heimische Scholle hinaus" bekommt eine ganz neue Bedeutung, meist erst im Ausland. Es sind Geschichten auch für die landwirtschaftliche Regionalpresse: vom 7. - 17. September 2007 finden in Kaunas / Litauen die Weltmeisterschaften im Wettpflügen statt.

Drei Deutsche werden in Kaunas teilnehmen: Stefan Brudy aus Appenweier und Michael Podehl aus Oyten / Bassen. "Mit einem nagelneuen Traktor per Fähre via Kiel über die Ostsee nach Litauen", berichtet die Syker Kreiszeitung. Eine der ungewöhnlicheren Arten zu reisen - allerdings wird der Traktor verladen. "In Kaunas untergebracht in einem gerade neu eröffenten Studentenwohnhiem", weiß der "Züricher Unterländer" über den Schweizer Teilnehmer Peter Ulrich zu berichten. Ulrich blickt gemäß dieser Veröffentlichung bereits auf eine "25-jährige Pflügerlaufbahn" zurück. Europameister, Viceweltmeister, Schweizer Meister - wer wird da neidisch auf irgendwelche Sportler sein?


Die Schweizer machen sich auch um die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit in Litauen Sorgen.
"Im Gegensatz zu meinen Äckern hat es in Litauen viel weniger Steine», erklärt Ulrich der interessierten Presse. "Da der Sandanteil dafür höher ist, wird man jeden kleinsten Fehler sogleich sehen." Ein "gleichmäßiges Wellblechmuster" gilt es zu pflügen, erklärt Podehl, der dreifache deutsche Meister in Folge.
Wie aber kommt ein gewöhnlicher Bauer (Entschuldigung: Landwirt) zu solchen Reisen?
"Nur weil zu Hause Betriebshelfer und die ganze Familie helfen. Sonst könnten wir uns mit unseren 100 Milchkühen einen 14-tägigen Ausfall mitten in der Erntezeit nicht leisten," erklärt Podehl.

Infos zum Thema:


Homepage der Pflüger Weltmeisterschaft in Kaunas

Vorbericht "Züricher Unterländer"

Vorbericht Syker Kreiszeitung

Ergebnisbericht in den OÖ-Nachrichten

Bericht bei "Baden online"

23 August 2007

Nicht jeder hat einen Alekna ...

Feucht-heiße Schwüle soll die teilnehmenden Sportlerinnen und Sportler angeblich im japanischen Osaka erwarten, wo ab morgen die Leichtathletik-Weltmeisterschaften stattfinden. 203 Länder der Welt haben sich zur Teilnahme angemeldet, ein Rekord. Das Wort "Rekord" hat ansonsten manchmal auch einen schlechten Beigeschmack, denn allzu oft war auch schon bei der Leichtathletik Doping ein Thema.

Deutsche Medien übertragen die WM umfassend und ausführlich - obwohl nur die Speerwerferin Christina Obergföll als mögliche Goldgewinnerin gilt. Für Litauen ist ein sicherer Kandidat der Diskuswerfer Virgilijus Alekna.

Im Juni wurde Alekna zu "Europas Leichtathlet des Monats" gewählt, weiß www-leichtathletik.de. Seit zwei Jahren ist Alekna jetzt schon ungeschlagen, notiert die Leichtathletik-Welt respektvoll. Konkurrenz käme vom nördlichen Nachbarn: der Este Gerd Kanter hält die Saison-Bestweite mit 72,02 Metern. Alekna kann aber die Wettkämpfe in diesem Jahr eigentlich in aller Ruhe angehen: er ist bereits zweifacher Weltmeister (2003 und 2005) und Olymipasieger (2000 und 2004). Vor wenigen Wochen in Kaunas trafen Alekna und Kanter aufeinander: Alekna siegte knapp mit 71,56m zu 70,92m.

Wer mehr von Alekna sehen und wissen möchte, kann zum Beispiel folgende Webseiten probieren:

Diskuswurf.Info (Alekna in Zeitlupe!)

WM Osaka 2007 - Wetten auf die Sieger bei "Sport-Community"

Litauische Fotogalerie zu Virgilijus Alekna

Textsammlung zu Alekna bei balsas.lt (Litauisch)

Foto: Alekna und Präsident Valdas Adamkus

Pressemeldung: Virgilijus Alekna wird zum UNESCO Champion for Sport ernannt --- (dazu: UNDP-Aktivitäten in Litauen mit Alekna)

Beitrag von "Lithuania in the world" zu Alekna bei den Olympischen Spielen 2004 (Englisch)

15 August 2007

Litauische Familien - in deutschen Schlagzeilen

Vielleicht gehört es ja noch zu den "Sommerloch"-Themen, vielleicht gehört es auch einfach zur Abteilung "Statistiken sagen immer nur soviel aus, was der Auftraggeber gern hören will." Jedenfalls machen dieser Tage einige deutschsprachige Medien mit dem Thema auf: in Litauen existiert die schwächste Bindung an die Familie in ganz Europa.. Ist das gerechtfertigt?

Zugrunde liegt den aktuellen Presseberichten eine Studie von Paola Giuliano und Alberto Alesina von der Harvard-Universität in den USA, die bereits im April 2007 herausgegeben wurde, sie umfaßt 53 Seiten. Untersucht werden 78 Länder. Einbezogen wurden auch Untersuchungen zur zweiten Generation von Einwanderern in den USA. Zugrunde liegt eine simple These: in Gesellschaften mit starker Familienbindung liegt die Verantwortung für Einkommen und soziale Sicherheit eher in der Familie selbst. Im gegenteiligen Fall liegt die Verantwortung eher beim Arbeitsmarkt und dem Staat. Bei starker Familienbindung nehmen auch weniger Jugendliche und weniger Frauen am Arbeitsleben teil. Dann folgt eine interessante Aussage, die ebenfalls sehr einfach klingt: Familienbindung funktioniert nur dort, wo die Familienmitglieder eng zusammenleben. Hieraus ließen sich für Litauen wie für Deutschland ja erste Schlüsse ziehen: offensichtlich gibt es Gründe, warum Familien nicht mehr geografisch so eng zusammenleben. So muss auch die Untersuchung nach der gewählten Methodik zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen: wenig Bindung vorhanden. Aber Vorsicht, Litauer und Deutsche: Auch diese Untersuchung wird uns nicht einreden können, dass wir unsere Familien nicht hoch schätzen. Zumindest für Litauen gilt ja (und das dürfte allen bekannt sein, die Litauen kennen und schätzen): wer momentan anderswo Arbeit sucht, zum Beispiel in Irland oder Großbritannien, der gibt ja damit nicht gleich seine privaten Werte auf.

Die deutschen Medien machen etwas anderes daraus. "In keinem Land der Welt zählt die Familie so wenig wie in Deutschland," schreibt das HANDELSBLATT. "Nur in Litauen sind die familliären Bande noch schwächer." Aus dem Text einer Mitteilung des INFORMATIONSDIENST WISSENSCHAFT könnte man sogar herauslesen, in Litauen und Deutschland sei "fehlender Respekt gegenüber den Eltern" zu konstatieren.
Der WDR schlußfolgert: "Menschen in Ländern mit starker Familienbindung geht es oft finanziell schlechter, sie sind aber oft glücklicher." Und: Familienbindung ist stärker in Süd- als in Nordeuropa.
SZIENZZ meint, Menschen mit starker Familienbindung würden die Frage, ob sie für mehr soziale Sicherheit auch mehr Steuern bezahlen würden, eher mit nein beantworten. Dieses Antwortverhalten wird dann in Beziehung gesetzt zur Familienbindung: "vermutlich deshalb, weil hier die Famile als 'Versicherung' einspringt". VERMUTLICH? Seit wann sind Vermutungen Wissenschaft? Und wie steht es mit der vorangegangenen These, das andersherum ein Schuh draus wird: arme Leute haben eben notgedrungen einen starken Familienzusammenhalt. Allerdings: weil sie bei dieser Befragung angeblich wenig Familienbindung zeigten, sind Litauerinnen oder Litauer auch noch nicht 'automatisch' reich - klar.

SZIENZZ meint auch: "
Der Untersuchung zufolge sind die familiären Bande in ehemals kommunistischen Staaten auch bald zwanzig Jahre nach der 'Wende' immer noch schwächer ausgeprägt als im Westen - Folge der Omnipräsenz staatlicher Regelungen." Gut, aber warum unterscheiden sich dann die Ergebnisse der Studie so zwischen diesen "ehemals kommunistischen Staaten"? In Estland und Lettland zum Beispiel sieht das Bild keineswegs ähnlich wie in Litauen aus (untersucht wurde bis Ende 2006).

Liebe Litauerinnen und Litauer (die ihr vielleicht auf der ganzen Welt zerstreut seid): was denkt ihr?

Übrigens: wer den Bericht von Konstantin Käppner liest, der über die Austauschorganisation "Youth for Understanding" fast im selben Zeitraum ein Jahr in Litauen verbrachte und das Land intensiv kennenlernte, kann sich ebenfalls einen eigenen Eindruck verschaffen. "Ein Volk wie eine große Familie" schreibt Käppner. Na also!

Infos:
"Familie, das Auslaufmodell" - bei Organic Society

"Schlußlicht in Sachen Familie" - bei SCIENZZ

"Familie - wie klappt's bei den Nachbarn?" - im WDR

"In Deutschland und Litauen zählen Familien am wenigsten" - Informationsdienst Wissenschaft IDW

"Zieht das Thema Familie?" - im Handelsblatt

Die Studie: "The power of the family" (Alberto Alesina and Paola Giuliano, Haward University - PDF-Datei)

YFU-Bericht von Konstantin Käppner

08 August 2007

Deutsch-Litauisches Forum mit neuem Webauftritt

Das im Jahr 2006 in Berlin gegründete Deutsch-Litauische Forum (DLF) hat seinen Webauftritt überarbeitet und bietet nun deutschsprachig Informationen zur Arbeit der Organisation an. Damit stehen Interessierten gleich zwei Möglichkeiten offen: auf litauischer Seite kümmert sich das "Lietuvos Vokietijos Forumas" um die Zusammenarbeit, und beruft sich dabei gern auf eine Vereinbarung zwischen dem deutschen Präsidenten Horst Köhler und seinem litauischen Amtskollegen Valdas Adamkus aus dem Jahre 2004.

Auf deutscher Seite leitet Dr. Joachim Tauber (Lüneburg) die Vorstandsarbeit. In Hennef / Sieg ist eine Geschäftsstelle eingerichtet worden - dort ist Frau Hildegund Heinze die Ansprechpartnerin.

Webseite des Deutsch-Litauischen Forums

Deutsch-Litauisches Forum in Litauen

04 August 2007

Segeln in Litauen

Im litauischen Počiunai (bei Prienai, südlich von Kaunas) finden in diesen Tagen die Segel-Europameisterschaften statt. Nach der offiziellen Eröffnungsfeier am 28.Juli erhoffen sich die Teilnehmer zunächst einmal gutes Segelwetter: bis zum 11.August soll die Austragung der verschiedenen Wettbewerbe beendet sein.

Erste Eindrücke, auch neben den offiziellen Wettkampfresultaten, sind von den verschiedenen Berichten der teilnehmenden Segler ersichtlich. Mehrmals musste schon "Regenprogramm" eingeplant werden - touristische Varianten, die Sportler wohl anders sehen als Urlauber.
Aber das es an Essen mangeln könnte? Wer Litauen kennt, muss das für ein Mißverständnis halten. Da schreibt ein deutscher Segler tatsächlich: "
Der litauer Abend war ganz nett. Es gab ein bißchen was zu Essen. Um satt zu werden haben Helge und ich uns allerdings lieber im Bistro versorgt." Mehr als ein Fragezeichen, liebe Segler. Aber wer weiß, ob Segler gewohnt sein könnten, sich für lau auf Kosten anderer den Bauch vollzuschlagen?

Aber keine Sorge: lesen wir bei der Österreichischen Mannschaft weiter - deren Bericht das Essen dankbar erwähnt, und sich lobend über "das köstliche Gebräu" dazu äußern. Bei den "Ösi's" scheint aber auch eine andere Taktik im Spiel zu sein, wie an anderer Stelle zu lesen ist: "
Und damit wir auf keinen Fall schuld sind, wenn morgen das Wetter nicht mitspielt, werden wir heute am Abend alles brav essen, was wir beim Deutsch - Schweizer Teamabend aufgetischt bekommen."
Was die Österreicher langweilt? Das "Regenprogramm". Einziger Kommentar zu einem Besuch in Vilnius: "Leider regnete es auch dort, sodass wir beschlossen, eines der größten Einkaufzentren Osteuropas zu besuchen und waren begeistert. Dieses Zentrum hatte alles zu bieten, was man sich nur vorstellen kann, vom Eislaufplatz über Kino und Bowling, bis zu unglaublich großen Geschäften mit 43 Kassen." Oh, liebe Alpenländler, wie traurig müssen eure Einkaufszentren aussehen, dass ihr nichts schöneres an Litauen findet? Na gut - im Regen können schon mal die Brillengläser beschlagen ...

Weitere Infos und Berichte hier:

Offizielle Seite der Segelflug-EM

Fotos von der Segelflug-EM

Segelflug-Blog von Chris und Thomas Sütterlin (Suetti-story)

Tagesberichte des Deutschen Teams (Aero-Club e.V.)

Tagesberichte vom Team Austria

Bericht bei Newsklick

Prienai im Internet


03 August 2007

Radfahren – in Litauen ein Verbrechen?

Polizei verhaftet mehrere Radfahrer bei Demonstration in Vilnius

Bereits seit über 2 Jahren rollt es auch durch Litauen: „Critical Mass“, eine Spontandemonstration, bei der sich einmal im Monat Radfahrer und Inline-Skater zusammenfinden um friedlich durch die Straßen zu ziehen. Am vergangenen Freitag, den 27. Juli 2007, eskalierte die Situation: Sechs Polizeieinsatzwagen blockierten eine Kreuzung mit dem Zug der rund 100-200 Radfahrer und begannen die Personalien aufzunehmen. Unterschiedlichen Quellen zufolge sollen fünf bis zehn Radfahrer verhaftet und gegen sie Strafanzeige gestellt worden sein.

Es ist schwer verständlich, warum die Polizeibeamten plötzlich – nach über zwei Jahren Toleranz - so einen Übereifer an den Tag legten. Ramūnas Janavičius, Dozent an der Universität Vilnius und Mitstreiter der Öko-Info-Seite www.ekoblogas.info sieht es im Zusammenhang mit der neuen Stadtverwaltung. Auf dem Posten des Bürgermeister der Hauptstadt sitzt Juozas Imbrazas, ein Mann des wegen Landesverrates entmachteten Präsidenten Rolandas Paksas. Seine Partei, ursprünglich „Liberaldemokraten“ in Anlehnung an den russischen Rechtsaußen Wladimir Zhirinowski, nennt seit kurzem nur noch „Ordnung und Gerechtigkeit“.

Die Polizei rechtfertigte sich jedoch mit allgemeinen Kontrollen gegen Motorrad- und Motorrollerfahrer, sowie dass es Beschwerden über die Verkehrbehinderung durch die Radfahrer gegeben hätte. Nach den litauischen Verkehrsregeln dürfen Radfahrer nur auf Radwegen bzw. am äußersten rechten Fahrbahnrand fahren.

Die „Critical Mass“ Demonstrationen begannen weltweit 1992 in San Francisco, USA, um auf die immer stärker bedrängte Situation der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer hin zu weisen und die „die Straße zurückzuerobern“. Formal gibt es keine Organisatoren: Man trifft sich zu einem verabredeten Zeitraum am verabredeten Ort und fährt durch die Stadt. Trotzdem gibt es strenge Verhaltensregeln: Außer dass man eine Richtung der Fahrbahn einnimmt, unternimmt man keine anderen Aktionen. Es ist keine politische Demonstration, die keine anderen Ziele verfolgt, als in einer Auto freundlichen Gesellschaft auf die Anliegen von Radfahrern, Skatern, Fußgängern und anderen hinzuweisen. Aufsehen erregte diese Aktion in Budapest (Ungarn) vergangenes Jahr mit über 40.000 Teilnehmen. Seit 2005 gibt es sie auch in Litauen, in der Zwischenzeit außer in der Hauptstadt Vilnius auch in Kaunas, Šiauliai, Visaginas und Palanga. Der Vilniusser Teilnehmerrekord liegt bei über 300 Teilnehmern. Hier trifft man sich jeden letzten Freitag im Monat um 18 Uhr auf dem Platz der Kathedrale.

Weitere Infos (Litauisch)

Seite der „Critical Mass“, Litauen

http://cm.hardcore.lt/doku.php

Berichte & Nachrichten über die Festnahmen

Radfahren – ein Verbrechen?

http://ekoblogas.wordpress.com/2007/07/29/ar-vaziuoti-dviraciu-nusikaltimas-kritine-mase/

Im Nachrichtenportal Delfi:

http://www.delfi.lt/news/daily/lithuania/article.php?id=13935069

In der Internetzeitung alfa.lt

http://www.alfa.lt/straipsnis/145254

Im Portal der größten Litauischen Tageszeitung „Lietuvos Rytas“

http://lrytas.lt/?data=20070730&id=11857897391183655286&view=4

Beim litauischen nationalen Radio und Fernsehen

http://www.lrt.lt/photo.php?strid=3597374&id=3916385