22 November 2007

Verfilmte Schlachten

Bereits Ende 2006 waren Einzelheiten bekannt geworden über ein weiteres filmisches Großprojekt, das in Litauen und in St.Petersburg produziert wurde. Es ist die Neuverfilmung von Leo Tolstois Klassiker Krieg und Frieden. In Litauen wurden unter anderem die großen Schlachten von Austerlitz (1805) und Borodino (1812) nachgestellt und gedreht. Nun kommt der Film in Deutschland und Österreich ins Fernsehen. Die Sendetermine für ZDF und ORF stehen bereits fest: 6., 9., 13. und 16. Januar 2008. (Fotos: ORF)

Sechs Wochen am Stück in Litauen drehen - das hätte Hauptdarstellerin Hannelore Elsner nicht zugesagt, wenn ihre Kinder noch kleiner gewesen wären, sagt sie im ZDF-Interview. Der fertige Film sei wie ein "riesengroßes, dickes Bilderbuch, das man durchblättert" geworden, meint sie. Über 2000 historische Kostüme waren für den Film angefertigt worden.

Tolstois Werk wurde ja bereits mehrfach verfilmt, die bekanntesten Versionen sind die US-Fassung (1956) mit Audrey Hepburn und Henry Fonda sowie ein sowjetischer Film (1968) von Sergej Bondartschuk. Beide haben ihre Fans, und in Internetforen wird bereits heftig diskutiert, ob diese neue Fassung überhaupt eine Chance hat, diese zu übertreffen.

Von dem Bondartschuk-Film sei er schon etwas beeindruckt gewesen, sagt Regisseur Robert Dornhelm. "Das war wahrscheinlich mit Abstand der teuerste Film aller Zeiten, allein für die Schlachten waren 40.000 bis 50.000 Soldaten zwei Jahre lang beschäftigt. Die Kavallerie hatte 5000 Pferde. D
rei Jahre lang wurde gedreht, zwei Jahre lang geschnitten. Das ist unvorstellbar und großartig monumental, aber zugleich auch sehr intim, sehr detailverliebt. Der Film ist jedoch auch mit einem Schuss Sowjetpropaganda versehen, was möglicherweise gar nicht im Sinne Tolstois war."
Das heutige Produktionsverfahren benötige nicht mehr so viele Statisten, erklärt Dornhelm. Statt 40.000 Soldaten werden nur noch 1000 real abgefilmt, der Rest geschieht durch Vervielfachung.

"Was sprach für Litauen?" wird Regisseur Dornhelm im ORF-Interview gefragt. Dornhelm: "Dass es noch immer nicht einfach ist, in Russland zu filmen. Dass es dort eine sehr gut funktionierende Filmproduktions-Struktur gibt. Dass die „Schlachtfelder“, die wir brauchten, ganz in der Nähe waren."
In Italien wurde der Vierteiler bereites erfolgreich ausgestrahlt, in Frankreich ist gerade Halbzeit: Beide Sender erreichten bisher durchschnittlich rund fünf Millionen Zuschauer pro Folge. Das wurde bei einer Presseveranstaltung am 19.11. in Hamburg bekannt gegeben.

Die österreichischen Medien scheinen Dornhelm ("Östereichs Hollywood-Export") auch als guten Koch zu kennen. "Was haben Sie in Litauen kredenzt?", wir er gefragt. Antwort: "Litauen ist das Land der Pilze, also habe ich Gerichte mit Schwammerln zubereitet. Anfangs griffen sie nur sehr zögerlich zu, aber nachdem die Ersten die Mahlzeiten überlebt hatten, herrschte reger Andrang."

Infos des ZDF zum Film

Bilder zu Teil 1 der ZDF-Serie

Hannelore Elsner zu den Erfahrungen bei den Dreharbeiten

Robert Dornhelm im ZDF-Interview

"Bei zu viel Rühren entsteht Gulasch" -Interview mit Robert Dornhelm bei den OÖ-Nachrichten

Infos des ORF-Kundendiensts zum Film

19 November 2007

Tomas Venclova startet Lesereise

Sein Name ist in Deutschland wohl nicht jedem gleich geläufig - aber für Litauen-Interessierte ist der Name "Venclova" in vieler Hinsicht ein Begriff. Tomas Venclova ist heute einer der am meisten international anerkannten litauischen Autoren, Schriftsteller und Poeten. Seine Stimme wird nicht nur in Form der Rezeption seiner Werke wahrgenommen, sondern auch als entschiedener Vertreter seines Heimatlandes auch unter schwierigen oder zumindest sehr verschiedenen Perspektiven: die Realitäten Sowjet-Litauens hat er durchlitten und erlebt soweit, bis er ins Exil gezwungen wurde. In den USA arbeitend, erinnert er sich wiederum gern der europäischen Perspektive, und schrieb erst kürzlich ein Buch über "Vilnius, eine Stadt in Europa." Und als Poet bringt er Saiten in der Seele der Menschen zu erklingen, die mal litauisch, mal polnisch, mal russisch, mal wie aus einem gemeinsamen menschlichen Heimatland entsprungen zu sein scheinen. Tomas Venclova startete am 18.November 2007 eine neuntätige Lesereise durch Deutschland und Österreich.

"Ja, ich bin ein Weltenbummler," das gibt Tomas Venclova, vor kurzem 70 Jahre alt geworden, zu, "und ich habe auch weiterhin noch Spaß daran." Auf Grönland sei er noch nicht gewesen, erzählt er scherzhaft, aber wer Gelegentheit hat auf Nahdistanz mit ihm zu reden, wird nicht nur über seine Gewandheit zwischen den Sprachen und Kulturen der Welt beeindruckt sein. Auch beim Start seiner Lesereise - während seines Aufenthalts in Bremen - gab es genug Gelegenheit zwischen den Erfahrungswelten hin- und herzuwandeln (Welten, die sich ja zumindest teilweise im Inneren des Menschen herausbilden). Von einem herzlichen "Sveiki atvykę" gegenüber den Litauisch-Kundigen macht es Venclova keinerlei Mühe, alsbald tief versunken in Russisch emotional und gleichzeitig analytisch mit Wissenschaftlern zu diskutieren (wie in diesem Fall anläßlich eines Besuchs an der Forschungstelle Osteuropa an der Universität Bremen), und anschließend mit den Gästen seiner Lesung bei Bedarf auch auf Englisch oder Polnisch die Umstände der Entstehung seiner Gedichte zu erläutern.

Nein, häufiges Reisen klärt offenbar Kopf, Geist und Seele nach wie vor. Dabei bleibt Tomas Venclova interessiert, wo er sich jeweils befindet. "Ich weiß, was Plattdeutsch ist", kramt er sogar ein paar Worte Deutsch hervor, und auch der Klang dieser Sprache kommt klar und bestimmt von seinen Lippen.

Wer noch Gelegenheit hat, sollte sich die Chance einer persönlichen Begegnung mit Tomas Venclova nicht entgehen lassen!

Weitere Termine: 19.11. Frankfurt, 20.11. Wetzlar, 21.11. Wiesbaden, 22.11. Leipzig, 23.11. Berlin, 26.11. Wien.

Infos zur Neuerscheinung Tomas Venclova "Gespräch im Winter" (Suhrkamp)

Details zur Lesereise

Gespräch von Erich Klein und Uldis Tirons mit Tomas Venclova (Eurozine)

Infos von "Books from Lithuania" zu Tomas Venclova

Tomas Venclova bei "Lyrik online"

"Kritische Ausgabe" zum Buch "Vilnius, eine Stadt in Europa"

01 November 2007

Ackern in Litauen, einsacken in Deutschland

Als Bauer an die Börse - das ist dieser Tage eine beliebte Schlagzeile in vielen Wirtschafts- nachrichtendiensten. Beim näheren Hinschauen wird deutlich, dass hier ein deutscher Agrarkonzern, der vorwiegend in den ostdeutschen Bundesländern aktiv ist, sich Flächen in Litauen zur Bewirtschaftung gesichert hat und damit offenbar gute Gewinne macht. Die KTG Agrar AG, inzwischen mit Sitz in Hamburg, wird als einer der größten Agrarproduzenten Europas bezeichnet. Aber auch mit Öko-Getreide wird gutes Geld verdient.

Wofür sind solche Erfolgsgeschichten charakteristisch? Dass es der Landwir
tschaft endlich wieder besser geht? Wenn ja, dann ist hier wohl kaum eine bäuerliche Familienwirtschaft traditionellen Stils gemeint. Oder dafür, dass man neuerdings mit Getreide, Milch und andere landwirtschaftliche Produkte wieder besseren Absatz findet am Weltmarkt? Aber ob die Verdienste der Agrarkonzerne der ganzen Branche helfen ist ja eher unsicher. Dass große Agrarkonzerne gut verdienen können? Nun ja, das war schon länger klar. Oder vielleicht, dass in Zukunft nicht mehr in Eßbares investiert werden wird, sondern - trotz Hunger in der Welt - in eine Landwirtschaft, deren Produkte z.B. zur Energieerzeugung verbrannt werden? Nun ja, die KTG Agrar produziert erstmal Biogas.

Zunächst ist es die Geschichte von den Gebrüdern Hofreiter aus dem Süddeutschen, so wie sie zum Beispiel im Hamburger Abendblatt erzählt wird. Über Bio-Eier und Geflügel landeten sie beim Getreideanbau, auch bei Mais, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln. 14.000 Hektar werden inzwischen insgesamt bewirtschaftet ("19.500 Fußballfelder groß", sagen die Hofreiters - kann das mal jemand in Basketballfelder umrechnen?).

Die Rede ist vor allem von einem Boom bei Ökoprodukten. 5700 ha Biogetreide, und 10 Biogasanlagen gehören zur Firma. In Litauen gibt es seit 2005 KTG Standorte in Raseiniai, bei Vilnius und Mažeikiai.

Eine kritische Stimme zum geplanten Börsengang der KTG Agrar wird bei Yahoo-Nachrichten zitiert, die sich auf einen Beitrag in der FAZ vom 28.10.07 beruft. "Hohe Subventionen verzerren die Bilanzen", erklärt dort der Bundesvorsitzende der "Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft" (ABL) und grüne Europaabgeordnete Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Zum einen sei es beschlossen, die 300.000 Euro EU-Zuschuß, die ein Betrieb bekommt, bis zu 58% zu kürzen. Die FAZ rechnet vor: von 885 Euro Erlös pro Hektar stammten 308 Euro aus Steuergeldern, und damit deutlich höher als der Nettogewinn von 123 Euro. Bis 2013 bleibt aber mit den EU-Zuschüssen vorerst alles beim Alten: bis dahin hofft die KTG Agrar genug Gewinn erwirtschaftet zu haben, um auch als Aktiengesellschaft überlebensfähig zu sein. (Fotos und Grafik: KTG Agar)

Pressemitteilung KTG Agrar

Hamburger Abendblatt

Handelsblatt

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Yahoo-Nachrichten