31 März 2008

Kirchenimport

Kirchen nach Litauen zu befördern ist offenbar nicht mit dem Spruch "Eulen nach Athen" zu vergleichen - auch wenn das baltische Land doch als sehr glaubensorientiert gilt, und die Zahl der Kirchen eigentlich nicht zu wünschen übrig lässt.
Die Firma Erich Bundschuh aus Walldürn-Glashofen im Odenwald hat es dennoch gemacht, und lieferte eine komplette Kirche nach Venta im Norden Litauens - am Ostermontag 2008 war Einweihung (26,83 Meter lang, 11,30 Meter breit, Firsthöhe 10,80 Meter im Kirchenschiff). Erfahrungen im Holzbau zahlen sich eben aus.

Nur die Beschreibung, wie es zu diesem Auftrag kam, fällt etwas kompliziert aus. Verantwortliche Personen: Pfarrer Gauronskas, ehemals in Venta tätig, heute bei einer anderen Gemeinde in Kaliningrad. Viktor Niedermayer, Dolmetscher und Bauleiter der KfdO (Kirche für den Osten e.V.), der Gauronskas traf. Gebaut werden sollte die Kirche zunächst in der Ukraine (die KfdO baut ganze Sägewerke in der Ukraine auf, für den Kirchenbau), aber angeblich seien die Zollformalitäten von der Ukraine nach Litauen zu kompliziert gewesen (wie ist ein Kirchenimport zu verzollen?). Foto rechts: die Kirche in Venta am Tag der Einweihung (Foto: Bundschuh)

So kam Bundschuh zu dem Bauauftrag - wenn man der Darstellung seiner Projektbeschreibung glauben kann. Die Webseite der KfdO stellt es etwas anders dar: eigentlich seien diese Bauteile für einen Pfarrer in Sibirien bestimmt gewesen; die russischen Behörden hätten aber Schwierigkeiten gemacht, so hätten die Bauteile in Deutschland zwischengelagert werden müssen und nun ihre neue Bestimmung gefunden. Erstaunlich: Schamhaupten in Bayern (Sitz der KfdO) als Verschiebebahnhof für den Kirchenexport? Handwerker Bundschuh sagt selbst dazu, damals hätten brandschutzrechtliche Bestimmungen den Aufbau in der Ukraine verhindert.

Die höchsten Kirchenwürden haben sich eingeschaltet: Der Bischof von Telšiai, Dr. Jonas Boruta, habe selbst um Hilfe gebeten: Venta habe 30.000 Einwohner, 60% davon katholisch, aber bisher keine Kirche (so stellt es die KfdO auf ihrer Webseite dar - an dieser Stelle kann auch online gespendet werden, da wird den Interessierten eine attraktiv klingende Dreisatz-Rechnung geboten. Immerhin sind laut KfdO-Angaben bis November 2007 40.000 Euro für dieses Projekt gespendet worden).
Die Lokalzeitungen (Donaukurier 21.3.08, Rhein-Neckar-Zeitung und Fränkische Nachrichten am 29.3.08) berichten ebenso stolz, aber die Fakten verschwimmen offenbar: gemäß Donaukurier hat Venta plötzlich nur noch 4200 Einwohner. Das reizt zur weiteren Recherche: bei Wikipeda (zugegeben, auch alles andere als eine sicher Quelle) wird eine Bevölkerungszählung von 2005 angegeben, der zufolge Venta 3221 Einwohner hat. Da haben sich die angeblich christlich motivierten Menschen mit dem spendenuntertstützten Kirchenbau-Business doch "zufällig" mal um eine Null vor dem Komma vertan, scheint es. -

Dem tüchtigen Handwerksmeister kann es egal sein. Er ist auf kreativen Ingenieurholzbau spezialisiert und achtet auch auf Energieeffizienz. In der Rhein-Neckar-Zeitung sind auch ein paar weitere Hintergrundinfos sachlich dargestellt: Venta wurde erst 1966 aus dem Zusammenschluß zweier Dörfer heraus gegründet. Eine Reißbrettplanung, um einen Rangierbahnhof herum. Dazu ein Industriekomplex mit Baustoffherstellung und chemischer Industrie. Aber eben keine Kirche. Nun ist das auch behoben, und ein paar menschliche und kirchliche Kontakte zwischen Deutschland und Litauen sind wohl auch dazugekommen.

03 März 2008

Arbeit am Image: wo liegt Litauen?

Nur selten wird Litauen-Werbung so schön platziert wie kürzlich beim Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" zum Kölner Literaturfest Lit-Cologne. Litauen war nicht einmal vertreten, aber der Bericht zur Auftaktveranstaltung mit Anke Engelke, Cordula Stratmann und Roger Willemsen gibt die Frage von Anke Engelke wieder, was dieses "Lit" im Titel der Veranstaltung eigentlich bedeute. "Litauen?" - diese Antwort bzw. ironische Randbemerkung ist von Cordula Stratmann überliefert. Kommentar des berichterstattenden Journalisten: hier ging "lustig" vor "literarisch".

Dabei unternimmt Litauen doch gerade im Frühjahr 2008 vielfältige Anstrengungen, um sich ins Blickfeld der d
eutschen Kulturinteressierten zu schieben. Allerdings firmiert die eigentliche litauische Literatur hier - wie auch bei der anstehenden Buchmesse in Leipzig - eher unter dem Motto "Kleine Sprachen, große Literaturen".

150.000 Litauer leben inzwischen bereits in Irland leben, 10.00o sind es in Dänemark. Das erzählte die litauische Botschafterin in Dänemark, Rasa Kairiene, der Zeitung "Der Nordschleswiger" (deutschsprachige Zeitung in Dänemark). Ob aus den dort verlebten Jahren neue Erzählungen, spannende Geschichten, oder Erfahrungen vom Zusammentreffen mit anderen Kulturen entstehen?

Auf deutscher Seite ist Litauen immer noch recht häufig wegen verschiedenen Sozialprojekten im Gespräch. So startet etwa der ASB von Bad Oldesloe nach Kelme (Abendblatt 28.2.2008), in Osnabrück wird Geld gesammelt für Pagegiai (Neue Osnabrücker Zeitung 11.2.08), und Breitenstein setzt sich für Projekte in Medininkai ein (Böblinger Zeitung). Da ist es wahrscheinlich schwierig zu vermitteln, dass in Litauen gleichzeitig Hilfsbeedürftigkeit und doch Arbeitskräftemangel gibt. "Mittlerweile kommen die Arbeitskräfte nicht nur aus der Ukraine oder Weißrussland, sondern aus der Türkei und sogar aus China," so sagt es Botschafterin Kairiene im Interview. Europäische Schieflage, oder ungleichzeitige Wahrnehmung?

Da wirkt sicher auch ein Bericht einer jungen Österreicherin interessant, der kürzlich im "Standard" nachzulesen war. Manuela Baier arbeitet "in den Wäldern Litauens", so kennzeichnet es die Zeitung, in einem Kongreßhotel. "Unter meinen Freunden und in unserer Branche gilt Litauen natürlich eher als ungewöhnlicher Arbeitsort," so die Hoteliertochter, die per Hotel-Shuttlebus versucht, Verbindung zum Nachtleben in Vilnius zu behalten. "Aber man kann viel bewegen, und man sieht die Entwicklung."