28 August 2010

Renaultas tankt litauisch

Es gibt Politiker, die bereits verkünden: die Krise ist vorbei. Schon die Erinnerung erscheint mühsam: es war ja eine Bankenkrise, die alles mitriss. Hochspekulative Anleger fielen tief, und Litauen kam knapp an einem Zusammenbruch der Wirtschaft vorbei. Nun ist es eine Bank aus Litauen, die offenbar wieder Geld für Investitionen und Imagewerbung hat. Das verlangt nähere Betrachtung. Aber es wird hier nicht für die einheimische litauische Wirtschaft geworben: im Blickpunkt steht der französische Autokonzern Renault.

An diesem Wochenende steht beim Rennen in Spa / Francorchamps erstmal ein gelber Renault mit litauischer Bankenwerbung am Start. 

Wer sich wundert, was Snoras in der Sportwerbebranche will, kann sich sowohl die Strategien von Renault wie auch der Bank mal näher ansehen: 
Formel-1-Piloten sind bei Renault gegenwärtig Robert Kubica und Vitaly Petrov, also zwei Osteuropäer. Hinter Petrov steht dabei das Geld russischer Investoren wie Gazprom. Spekulationen in der Motorsportpresse zufolge ist der Platz von Petrov - dem ersten Russen in der Formel 1 - für 2011 noch nicht sicher. Verhilft ihm also SNORAS dazu? Der russische Banker Vladimir Antonow ist Mehrheitseigentümer bei SNORAS. Antonov verschreckte kürzlich britische Fußballfans damit, dass er mit Angeboten zum Anteilserwerb bei britischen Fußballklubs in Verbindung gebracht wurde. 

SNORAS wiederum ist zu einem der größten Finanzinstitute Litauens aufgestiegen - wie Renault und Snoras gemeinsam per Presseerklärung stolz verkünden. Dem Ruf schadet es dabei offenbar nicht, dass Litauen wirtschaftlich gesehen oft auch mit anderen Schlagzeilen verknüpft war (na ja, es schadet dem Ruf von Banken ja offenbar auch nicht, dass einige nur mit öffentlichen Geldern gerettet werden konnten). SNORAS jedenfalls ist ja nicht nur in Litauen, sondern auch in Lettland (Krājbanka / Finasta) und in Großbritannien, in Estland, Belgien Tschechien und Weißrussland aktiv (fehlt eigentlich nur Frankreich ...). Snoras behauptet im eigenen Jahresbericht 2009 als einzige litauische Bank einen Gewinn gemacht zu haben. Ebenso kündigte die Bank eine andere Investition in den Sport an: finanzielle Unterstützung derjenigen Sportler, die sich auf die Olympischen Spiele 2012 in London vorbereiten. Keine Angst, liebe Litauer: in diesem Fall geht es tatsächlich um litauische Sportler.

Eine andere Variante wäre noch, den 19-jährigen litauischen Formel2-Pilot Kazim Vasiliauskas zu Renault zu holen. Der fuhr auch schon in der "Formal Renault". Zufall? Na ja, Rennsport ist eben ein teures Vergnügen, und die Hintergründe, warum hier jemand gewinnt oder verliert oft nicht so ganz durchsichtig.

21 August 2010

Litauische Wettkämpfer/innen auf allen Ebenen

Sportliche Hoffnungen
Nur noch wenige Tage bis zum Start der Basketball-Weltmeisterschaft 2010 in der Türkei. Für Litauer ein großes Thema, klar. Vielleicht wird ja von einem "Spätsommermärchen" geträumt. Neu ist, dass nun auch deutsche Medien vorab über litauische Basketballspieler berichten. Vielleicht brachte sich das litauische Team ja durch den Sieg beim "Supercup" in Bamberg eindringlich in Erinnerung.
Die Spielberichte loben dort besonders Linas Kleiza. Dessen überragende Form veranlasste wohl auch das Sportportal SPOX zu einem gesonderten Beitrag über Kleiza. Interessant dabei mitzuverfolgen, dass unter deutschen Basketballfans eine Überschrift wie "Toronto muss mich wie Bosh bezahlen" für Aufregung sorgt. Das verlangt einige Hintergrundinfos. "Eine Überschrift wie die BILD-Zeitung!" so die Rückmeldungen der Leser auf dieser Seite, und das sollte wohl kein Lob sein (die tatsächliche Aussage Kleizas ist auf derselben Seite nachzulesen). Gut, Kleiza spielt erfolgreich in den internationalen Basketball-Ligen - hier geht es nicht um Interna zwischen Vilnius und Kaunas, sondern zwischen Kanada, den USA und Griechenland; da kennen sich deutsche Sportfans aus. Übrigens bezeichnet Spox Keizas Heimatland als "Mini-Staat" - das reklamierte keiner. Die Basketballer Litauens geben wohl genügend sportliche Antworten.

Sommerloch in Litauen entdeckt?
Eigentlich gab es in den vergangenen Wochen wenig Grund zu denken, die Presse habe nichts anderes zu schreiben als überflüssige "Sommerlochthemen". Von zu vielen Überschwemmungen, Großbränden und Hitzeperioden war in letzter Zeit zu berichten. Was aber ist das erfolgreichste litauische Pressestichwort der Woche? Erstaunlicherweise "Grazolyte". Fast schienen einige Presseblätter froh, von dieser "Misswahl der Ziegen" berichten zu dürfen (Westfälische Nachrichten, Krone, N-TV, Saarbrücker Zeitung, Focus, Westline SWR3, Nürnberger Nachrichten, Ostsee-Zeitung, Augsburger Allgemeine). 
"Wir wollen so berühmt werden wie der Stierlauf in Pamplona,", so wird ein Vertreter der Gemeinde von Ramygala zitiert. Für ein paar Tage hat es kurzfristig funktioniert. Angeblich leitet sich der Name des Ortes von "Ožkauostis" her - Hafen der Ziegen. Die zahlreichen Fotos auch in der deutschen Presse scheinen zu beweisen (zum Beispiel N-TV), dass hier  "Ziegenreporter" vor Ort in Litauen waren. Oder hat hier ein einzelner Berichterstatter alle interessierten deutschen Medien versorgt? Leider war auch nicht von vemehrtem Absatz litauischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse die Rede. Gab es keinen Ziegenkäse? Dafür machte eben das Stichwort von "Grazolyte" die Runde - der Name der angeblichen Siegerziege (wer nur die deutschen Beiträge liest). Das Thema kam auch in die litauischen Medien. Dort wird allerdings wesentlich mehr landwirtschaftlich "fachgesimpelt", zum Beispiel bei Diena.lt, und es wird klar, dass hier mehrere Siegertitel verliehen wurden.

Während Ziegen also offenbar in Litauen gerade "in" sind, haben Biber einen ganz anderen Ruf. Mehrfach positionierten sich Litauer als potentielle Biber-Jäger. Als diesen Sommer in Riga eine Diskussion um Biber entstand, die sich im Rigaer Stadtpark mitten in der Stadt angesiedelt hatten, boten sich schließlich Litauer als ambitionierte Jäger an: "Bei uns werden die abgeschossen und zu Pelzen verarbeitet," hieß es da.Ähnliches berichtet jetzt "die Presse" in Österreich: nicht nur das litauische Forstbeamte Biber zur "Nagetier-Plage" erklären, sondern im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen. Als eßbare Delikatesse. Geräucherter Biberschwanz als litauische Delikatesse? Es wird vermutlich nicht vorwiegend positive Reaktionen verursachen. In Deutschland ist der Biber eine geschützte Tierart.

Nicht nur schöne Ziegen
Nein, wenn es um Schönheiten geht, hat Litauen aber nicht nur Ziegen zu bieten. Stolz verkündet das Außenministerium dieser Tage in einer Pressemeldung von neuen Maßnahmen im Kampf gegen Menschenhandel und Gewalt gegen Frauen. Die fürs Publikum gewohnten Laufstege kamen bei "Mrs Universe 2010" zum Einsatz.
Bei Youtube kann man bewundern, wie es jetzt offenbar im litauischen Außenministerium zugeht. Aber im Ernst: mehr Aufmerksamkeit für diese Thematik kann nicht schaden. Wenn schon die litauische Diplomatie so große Schwerigkeiten hat im Umgang mit engagierten Bürgern und unabhängig organisierten Initiativen (NGOs - siehe NGO FORUM Litauen), dann funktioniert es vielleicht eher bei Gelegenheiten, wo nach außen hin eigentlich nicht mehr als ein optischer Schönheitswettbewerb erwartet wird? Zumindest in Litauen war beiden Veranstaltungspartnern mehr Aufmerksamkeit gewiss.
Aber wo sind beim angesprochenen Problemthema eher die Schuldigen und die Verursacher zu suchen? Die schönen Frauen Litauens sind es nicht. Der Blick in die deutschsprachige Presse zum gleichen Thema aber irritiert: die "Badische Zeitung" berichtet zum Stichwort "Miss Universum" über schöne Frauen in Venezuela und missverständlche Kostümierung in Peru. "Die Presse" berichtete schon 2009 nach der Wahl einer Venezolanerin davon, dass diese davon schwärmte wie toll die US-Amerikaner ihr Kriegsgefangenencamp in Guantánamo organisierten. Alle anderen Presseberichte dieser Tage gehen davon aus, dass "Miss Universe 2010" in diesen Tagen in Las Vegas gewählt wird. Die gwohnten einschlägigen Fotos begleiten das Ganze, nirgendwo wird auf die Gefahr von Zwangsprostitution hingewiesen. Aber dann wird es auch "Spätzündern" klar: hier geht es nicht um junge Mädchen, sondern eher um "schöne Mütter"! Nicht "Miss", sondern "Mrs.". Schade, dass über diese Idee und die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen (Sponsoren?) auf der Webeseite der Veranstalter wenig bis gar nichts zu lesen steht.
Eine Kandidatin aus Deutschland gab es übrigens in Litauen auch. Olena Koch spricht nach Angaben der Veranstalter fließend Ukrainisch, Weißrussisch, Russisch und Englisch. Das rundet das Bild ab, dass es sich hier offenbar eher um eine osteuropäische Veranstaltung handelt, die den Weg in die deutschen Medien dementsprechend nicht gefunden hat.

Bericht über Linas Kleiza bei Spox.com
Webseite zur Basketball-WM 2010

Webseite von Ramygala
Webseite der "Ziegenparade" (Ožkų parade)
Ziegenparade bei YouTube 

Webseite "Mrs Universe Litauen2010" 
Webseite "Miss Universe"

03 August 2010

"Lietuviškos knygos" vor dem Aus?


Als "Books from Lithuania" - Bücher aus Litauen - oder mit der litauischen Bezeichnung "Lietuviškos knygos" warb Litauen für die Literatur, die Schriftsteller und für Übersetzungen in viele Sprachen. Damit soll nun, einer Pressemeldung der Einrichtung zufolge, Schluß sein. Von 1998 bis 2010 bestand unter diesem Label ein nichtkommerzieller Verein mit mehreren Angestellten, die für Interessierte und Projektpartner in vielen Partnerländern zur Verfügung standen. Auch deutsche Verlage, die sich für ein Nischenprodukt einer litauischen Literaturübersetzung entschieden, hatten in "Books from Lithuania" einen kompetenten und verlässlichen Gesprächspartner zu Verfügung. Highlight aus deutscher Sicht war sicher der Litauen-Schwerpunkt der Buchmesse Frankfurt 2002 - ohne "Books from Lithuania wäre er kaum denkbar gewesen. Ohnehin fragte man sich, ob ein so kleines Land wie Litauen einen eigenen Schwerpunkt auf der Welt grösster Buchmesse zu bilden wert ist - nachdem überall sonst in Deutschland ein sonderbares "Baltikum" angeboten wird, ein Gemisch aus drei verschiedenen Ländern, Kulturen und Sprachen, das mit der Wirklichkeit vor Ort wenig zu tun hat. 
"Books from Lithuania" bewies, das etwas möglich ist. Nicht nur auf Messen und Ausstellungen (außer 2002 in Frankfurt auch mit Litauen-Schwerpunkt 2005 in Göteborg und 2007 in Turin), sondern auch durch tatkräftige Unterstützung bei Einzelveranstaltungen, Lesungen, und in Ergänzung der Arbeit der Kulturattachés in den Botschaften Litauens. 
Diese Arbeit wird nun wohl eingestellt. "Die finanzielle Krise bewog das Kulturministerium Litauens unsere Einrichtung zu schließen", heisst es in der Pressemitteilung. Viele der bisherigen Ansprechpartner gerade in Deutschland werden das sicherlich bedauern. Zwar soll eine Übersetzungsförderung und die PR für litauische Literatur international natürlich nicht eingestellt werden, aber es ist doch sehr zu bezweifeln, ob die ministerial mit mehr Wohlwollen ausgestatteten Menschen von "e-koperator" die bisherigen Kontakte - gerade im nicht-englischsprachigen Bereich - genauso gut werden pflegen können. Zu dem ist für Deutschland zu befürchten, dass vieles an Unterstützung für litauische Kulturveranstaltungen in Deutschland noch etwas mehr zusammenbrechen wird, wenn die gegenwärtige in der Berliner Botschaft arbeitenden sehr engagierte Ansprechpartnerin Rasa Balcikonyte einmal in Richtung anderer Aufgaben Deutschland verlassen wird. 
Da scheint das "E" vor dem Namen doch eher Programm zu sein: Kontakte werden rein virtueller Natur sein. Ich vermute, Newsletter in Englisch wird es geben, und Ausschreibungstexte für Wettbewerbe, wo dann vielleicht zwei oder drei von den vielen Antragstellern eine Förderung finden werden (nach dem Motto: auch ein blindes Huhn...). Ein wenig fühle ich mich auch erinnert an das Kulturhauptstadtjahr 2009, dass mit einem (teuren) Feuerwerk in Vilnius und hochfliegenden Plänen begann, und dann mit der Entlassung von Kulturverantwortlichen und drastischen Einsparungen bis knapp über die Handlungsunfähigkeit beschnitten wurde. 
Da passt es nur ins Bild, dass das litauische Außenministerium jetzt die Rolle der "Deutschen aus Litauen" wieder stärker herausstellt. Wo Kulturkontakte, kompetente Kulturaktivisten und Fördergelder weggespart werden, da sollen offenbar "geborene Vermittler" (zunehmenden Alters, wie bei allen entsprechenden Vereinen, die eher auf geschichtlicher Vergangenheit und verblichener kultureller Bedeutung aufbauen) noch einmal zu Ehren kommen. "Menschliche Brücken" seien sie, so drückte es der stellvertretende Außenminister Šarūnas Adomavičius aus bei seinem Besuch bei einer Versammlung der “Landsmannschaft der Deutschen aus Litauen e. V., die sich in Vilnius traf. Nichts gegen diese Vereinigung - die eigentlich aus Deutschen besteht die heute in Deutschland leben. Aber eine Raute ist eine Raute, und sollte nicht zum Feigenblatt werden.

Bezüglich der aktiven Unterstützung die originäre litauische Kultur bleibt momentan nur, noch einmal ausdrücklich DANKE und Ačiū zu sagen für die bisherige Arbeit der engagierten Menschen bei "Lietuviškos knygos". Den an litauischer Literatur interessierten Initiativen in Deutschland wird vielleicht erneut die Rolle zufallen müssen, mehr einzufordern, wenn die Politiker beider Länder mal wieder sich nur auf erfüllten Einsparvorgaben auszuruhen gedenken.