27 März 2011

Grüne Partei gründet sich in Litauen


Am vergangenen Sonntag gründete sich in Vilnius, Litauen die Partei der grünen Bewegung Litauens, Lietuvos žaliųjų sąjūdžio partija, in einem Hotel unterhalb des Fernsehturms. Es waren ungefähr 100 Mitglieder und Zuschauer gekommen, um der Parteigründung beizuwohnen.
Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Partei auf der Energiepolitik, besonders auf einer Ablehnung von AKWs in Litauen und den Nachbarstaaten.
Personell spaltet sich die Partei in eine Gruppe um ehemalige Sąjūdis-Aktivisten, also der Bewegung, die Litauen aus der Sowjetunion in die Unabhängigkeit führte, und einer Gruppe von mehrheitlich jungen Menschen, die in den Jahren der Unabhängigkeit politisch sozialisiert worden sind. Die personellen Konflikte wurden jedoch von einer autoritären Sitzungsleitung weitgehend unterdrückt und die Parteigründung ohne Verzögerung und mit nur teils demokratischen Wahlen durchgezogen.

Die litauische Partei reicht personell, wie erwähnt, bis in die Zeit der Unabhängigkeitsbewegung zurück, als sich drei der wichtigen Akteure der neuen Partei (Juozas Dautartas - der Parteivorsitzende, Saulius Lapienis und Saulius Pikšrys- beide Sekretäre des Vorsitzenden und im Vorstand, sowie Parteirat) kennenlernten. Die eigentliche Geschichte der Partei begann aber erst vor zwei Jahren, als Dautartas und Lapienis sich zusammentaten, um eine Partei zu gründen. Die Gruppe um sie herum wuchs mit der Zeit und so auch die Anzahl der Unterstützer. Es ist jedoch keine Partei, die einer großen Bewegung entsprungen wäre. Mit der Ausnahme einiger Funktionäre, die in kleinen Umweltorganisationen oder in der Verwaltung tätig sind, ist die Mehrheit der Mitglieder nicht organisiert.
Ursprünglich wollte sich die Partei schon vor den Kommunalwahlen gründen, aber die erhöhten Hürden für eine Parteigründung, verzögerten den Prozess.
Die stimmberechtigten Mitglieder auf der Sitzung vertraten nicht nur ihre Meinung, sondern auch die Anzahl der Personen, die sie für die Partei als Unterstützer geworben hatten. Dabei darf man nicht glauben, dass es ca. 2.500 Menschen in Litauen gibt, die eine grüne Politik unterstützen. Oftmals gingen die grünen Aktivisten einfach auf ihrer Arbeit umher und brachten Mitarbeiter, Freunde und Bekannte dazu die erforderlichen Papiere zu unterzeichnen.
Dieses Prozedere führte dazu, dass bei der Parteigründung einige Anwesende über 40 Stimmen verfügten, andere nur über eine. Aus demokratietheoretischer Sicht, war dies das erste Problem des Tages, aber es sollte nicht das letzte sein.
Schon in der letzten Sitzung der Initiativgruppe hatten die zentralen Figuren, besonders Saulius Lapienis, darauf hingewiesen, dass es an dem Sonntang nur über die formale Gründung der Partei und um nichts anderes gehen sollte. Dementsprechend führte Lapienis, der zum Sitzungleiter bestimmt worden war, auch die Gründungsveranstaltung. Wortmeldungen, die auf Diskussionen aus waren oder Alternativen vorstellen wollten, wurden rüde unterbrochen, oder erst gar nicht das Wort erteilt. Freie Rede gab es nur für die, die entweder die Mehrheitsmeinung vertraten, oder dann nach abgeschlossener Gründung, die Zeit bis zur Pressekonferenz zu füllen hatten. Dieses Vorgehen wurde mir am Rande der Gründungsveranstaltung mit den Erfahrungen aus der Sąjūdiszeit erklärt: der Erfahrung, dass es in einer jungen Demokratie lange, unproduktive Diskussionen gäbe und am Schluss immer ein Anführer die Entscheidung zu treffen habe. So wurde es auch hier gehandhabt, ohne dass sich jedoch erweisen konnte, ob die Diskussionskultur in Litauen in den letzten 20 Jahren verändert hat.
Aber nicht nur im Verlauf der Sitzung, sondern auch in der innerparteilichen Struktur, zeigten die Grünen stark undemokratische Züge. Dies gilt besonders für die Satzung. Formal ist laut Satzung die nationale Mitgliederversammlung das höchste Gremium der Partei. Diesen Status gab die Mitgliederversammlung aber auf, als sie der Satzung zustimmte. Denn sie ist, trotz anderslautender Formulierung alleine auf den Parteivorsitzenden zugeschnitten.
Der wurde am Sonntag, ebenso wie alle anderen Parteiorgane für vier Jahre gewählt. Das besondere am Amt des Parteivorsitzenden ist, dass er alleine Vorschlagsrecht auf seine Sekretäre, den Parteivorstand und fast den gesamten Parteirat hat. Insofern war spätestens mit der Wahl des Parteivorsitzenden alle Hoffnung für die parteiinterne Opposition der 'fortschrittlichen Grünen' (Progresyvieji zalieji) begraben.
Am Ende des Tages war die Opposition, die ungefähr ein Viertel der Anwesenden umfasste, aber nur über etwas mehr als 10% der Stimmen verfügte einzig im Parteirat vertreten, mit fünf Mitgliedern von insgesamt 48. Die Opposition wird hier deshalb so sehr betont, weil sie in ihren Vorstellungen, denen einer westeuropäischen Partei am nächsten kommt. Andererseits, ist sie aber nicht nur in der Stimmenzahl der Mehrheit unterlegen gewesen. Denn während besonders die drei oben genannten seit rund 25 Jahren Politik machen und somit auch in der Organisation von Mehrheiten geübt sind, ist dies für die Opposition ein neues Feld - dementsprechend schlecht sind die progressiven Grünen organisiert.
Für die Mehrheit der Partei, die ihre Vorstellungen von Politik nicht aus Westeuropa, sondern aus der litauischen Gegenwart bezieht, besteht grüne Politik alleine darin, die Ökologie betreffende Politikziele durchzusetzen. Das ist zuwenig für eine Partei, die für sich selbst in Anspruch nimmt eine grüne Partei nach westeuropäischen Vorbild zu sein.

Aber am Rande der Sitzung wurden sowohl eine Überarbeitung der Satzung, als auch eine mögliche Neubesetzung der Institutionen nach einem Jahr versprochen. Es bleibt also abzuwarten, ob die Grünen mehr sein werden, als nur eine traditionelle litauische Partei (also eine Organisation zur Erlangung von Parlamentsmandaten für einige Parteiführer) mit ökologischen Zielen, oder ob sie sich wirklich dem Ziel der westeuropäischen Grünen annähern kann. Dies wird besonders für die Wahlen in Litauen von Bedeutung sein. Denn generell ist - nicht ohne Grund - das Ansehen der Parteien in Litauen sehr gering. Eine Abgrenzung, die alleine auf einer anderen Energiepolitik beruht, wird der neuen grünen Partei wohl kaum zu einem Wahlerfolg helfen. Erfolg kann sie nur dann haben, wenn sie das auch in Litauen aufkommende grüne Lebensgefühl mit einem anderen Politikverständnis verbindet, in dem sich die in den Großstädten entwickelnde Mittelschicht repräsentiert sieht.

Inhaltlich ist über die grüne Partei nicht viel zu sagen. Es gibt zwar ein Programm, aber dieses ist, wie offen zugegeben wurde, stark an die Programme der westeuropäischen Grünen angelehnt. Was nun wirklich die Meinung der Mitglieder ist - von der Energiefrage abgesehen, wurde bisher nicht deutlich. Oder anders gesagt, nur weil es in den Parteiwerten und im Parteiprogramm steht, muss es nicht wirklich auch von den Parteimitgliedern vertreten werden. Denn schliesslich erklärten sich die Grünen am selben Tag, als sie auf die Linie der gelenkten Demokratie nach litauischen Standard einschwenkten, ihre Partei, zu einer Partei der partizipativen Demokratie.

16 März 2011

Moratorium mit Maischberger

Gestern abend wurde in der ARD zum wiederholten Male über die Folgen des Atom-Gau's in Japan diskutiert. Sandra Maischberger versammelte Menschen, und alle machten besorgte Gesichter. Kurz zuvor hatte die Regierung Merkel überraschend ein "Moratorium" verkündet, und damit die zuvor auf rechtlich zweifelhaften Wegen durchgesetzten Laufzeitverlängerungen für die deutschen Schrottreaktoren selbst ad absurdum geführt.
Aber hier soll es ja um Litauen gehen. Ja, leider muss zum wiederholten Male - statt für die schöne litauische Natur und Landschaft werben zu können, muss von der viele deutsche Urlauber eher abschreckende Vision von Litauen als Atomstaat geredet werden. Ob es etwas nützen würde, Beschwerde bei der ARD einzureichen? Beim wahrscheinlich redaktionell hastig produzierten Blick auf Europas Atommeiler wurde Litauen "unverschämterweise" ausgespart. Litauen ohne Atomkraft? Ach ja, Ignalina ist nun ja endlich abgeschaltet. Russland bleibt auf der Karte gleich ganz ausgespart. Aber was ist das? Frau Maischberger hat ein AKW im Osten Lettlands entdeckt. Wahrscheinlich wird sie sich danach nicht mehr in Litauen sehen lassen können (falls sie das je vorgehabt haben sollte). 

Nein, so schnell geht es nun doch nicht mit der Versetzung oder dem Neubau baltischer Atompläne. Da ist doch tatsächlich bei der Nachrichtenagentur ELTA der unglaubliche Rat von Ministerpräsident Kublilius (an die Japaner?) zu lesen: "Es ist besser, Atomkraftwerke in Regionen wie Litauen zu bauen". Er lehnte es aber ab dazu Stellung zu nehmen ob sich die möglichen Schlußfolgerungen aus der auf Erdbeben und Tsunami folgenden Atomkatastrophe in Japan auch auswirken könnten auf Baukosten für eigene Atombaupläne. Bis Ende 2010 hatte Litauen vergeblich um Investoren für ein neues Atomkraftwerk geradezu gebettelt; es hatte auch Gerüchte um einen Investor aus Asien gegeben - das wäre dann eine ganz umgekehrte Verkettung der Sachzusammenhänge gewesen. 

Vom estnischen Wirtschaftsminister Juhan Parts dagegen ist heute immerhin zu hören, auch die gerade neu gewählte estnische Regierung habe auf die möglicherweise geänderte öffentliche Meinung bezüglich der Atomenergie Rücksicht zu nehmen. Die gerade mit Wählermehrheit bestätigten beiden Parteien hatten den Ausbau der Atomenergie und sogar den Bau einer eigenen AKW in Estland im Wahlprogramm stehen. - Für Litauen gilt das nicht? Das litauische Fernsehen toleriert immerhin in Diskussionssendungen auch Atomkritiker (link), während litauische "Experten" notorisch die absolute und weltbeste Sicherheit für das Projekt voraussagen, was in Litauen gebaut werden soll (kommt mir bekannt vor). 

Der schwedische Regierungschef Reinfeld, gerade auf Besuch in Litauen, warnt dort vor einem "übereilten Run auf fossile Brennstoffe". Na super! Im Gegensatz zum letzten großen Tsunami scheinen diesmal nicht so viele Schweden am Unglücksort zu sein. Und sein Regierungschef Kubilius sieht Fehler in der Planung atomarer Anlagen - allerdings nur bei den beiden nahe der litauischen Grenze geplanten AKWs in Belorussland und Kaliningrad. Russlands Regierungschef Putin seinerseits - gerade zu Gast bei Lukaschenko - verspricht diesem russischen Investitionen für neue AKWs. Darius Semaska, Berater der litauischen Präsidentin Grybauskaite, wird mit der Aussage zitiert der "psycholiogsche Effekt" der Japan-Krise könne durch erhöhte Investitionen in Reaktorsicherheit zu erhöhten Energiepreisen führen. Vielleicht denkt auch jemand wenigstens diesen Gedanken zu Ende? Atom = billig und gut, das kann nicht sein.

Lesenswert übrigens das, was bei BLOOMBERG über einen Besuch des stellvertretenden litauischen Energieministers Arvydas Darulis am 25.Februar in Tokio zu lesen ist. Japan verfüge über einen sehr hohen Standard nulearer Sicherheit, lobte Darulis. Dieser würde Litauen in die Lage versetzen die hohen Umweltanforderungen zu erfüllen, welche von der EU vorausgesetzt würden. Gesagt und protokolliert am 25.Februar 2011 in Tokio.

11 März 2011

Wahlergebnisse der Regionen

Die litauische Wahlkommission gab die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom 27.Februar 2011 bekannt. Demnach haben die Sozialdemokraten landesweit insgesamt 328 Mandate gewonnen, gefolgt von der Liste der Christdemokraten und der Vaterlandsunion mit 249 Mandaten und der Arbeitspartei mit 165 Mandaten. Die Partei "Ordnung und Gerechtigkeit" erreichte 155 Gemeinderatssitze und die litauische "Bauern- und Volksunion" 147. Vor allem in Vilnius schnitt die russisch-polnische Wahlliste sehr gut ab und erreichte landesweit 61 Mandate, davon allein die polnische Union 11 in der Hauptstadt. In Vilnius erreichte die Liste von Ex-Bürgermeister Arturas Zuokas mit seiner "Vilnius-Union" die meisten Sitze.
Die Wahlbeteiligung war mit 44.08% sehr gering.