23 Februar 2014

Das Land und das Geld

Vielleicht haben sich die zuständigen Beamten und Politiker in Litauen die Einführung des Euro doch etwas zu einfach vorgestellt. Seit einigen Tagen ist klar, dass das litauische Verfassungsgericht keine Einwände hat gegen ein beantragtes Volksbegehren, das sich gegen den Landverkauf an Ausländer richtet. 2004 hatte sich Litauen dies trotz EU-Beitritt für eine Übergangszeit als Ausnahme gesichert, 2014 sollte diese Sonderbestimmung nun auslaufen. Aber dagegen wurden nun bereits 300.000 Unterschriften gesammelt, bei einer zum gleichen Thema durchzuführenden landesweiten Volksabstimmung müssten sich dann mindestens 50% der litauischen Wahlberechtigten beteiligen um das Ergebnis als gültig erklärt werden zu können.

Die Initiatoren aber planen auch zur Euro-Einführung ein weiteres Referendum. "Die litauische Regierung wird nun erklären müssen, welche Gründe es für eine so rasche Einführung des Euros in Litauen gibt," meint Mit-Initiator Romualdas Ozolas, der selbst auf eine bunt schillernde Vergangenheit zurückblicken kann als Mitglied der litauischen Kommunisten, dann der Unabhängigkeitsbewegung Sąjūdis, und 1996-2000 Parlamentsabgeordneter. Ozolas schrieb auch an der neuen litauischen Verfassung von 1992 mit, gründete aber auch 1988 die Organisation "Vilnija", die eine völlige Lituanisierung des Vilnius-Gebiets zum Ziel hat und damit als ziemlich rechts im politischen Spektrum stehend gesehen wird. Seit 1993 ist der Philologe und Philosoph Ozolas Mitglied der Litauischen Zentrumsunion (Lietuvos centro partija) und war 1990/91 auch schon mal stellvertretender Ministerpräsident.
Andere Gegner des Landverkaufs sind bei der Partei "Lietuvos valstiečių ir žaliųjų sąjunga" (Litauischer Verand der Bauern und Grünen) und deren Vorsitzendem Ramunas Karbauskis zu finden, einem der größten Landbesitzer Litauens.

Per Volksbegehren soll der litauische Litas in der Verfassung als einzige litauische Währung festgeschrieben werden, entsprechend auch die Nationalbank als einzig mögliche zuständige Institution. Änderungen daran sollen nur per Referendum möglich sein - eben genau wie es jetzt zur Abstimmung gestellt werden soll.

Andere Abstimmungs-Befürworter argumentieren so, dass selbst wenn die Annahme stimme, Litauen habe sich mit dem EU-Beitritt 2004 auch für den Euro ausgesprochen, dann sei der Zeitpunkt der Einführung dennoch eine nationale Angelegenheit. Der EU-Beitritt vor 10 Jahren wurde wie auch in Estland und Lettland durch eine Volksabstimmung untermauert: auch damals stimmte Estland zuerst ab, es folgte Lettland und - als klar war, das Land würde sonst "außen vor" bleiben - auch Litauen. Ob diese Logik auch auf das Jahr 2014 anwendbar sein wird? Gegenwärtig scheint, auch wegen der bevorstehenden Europawahlen, vieles an der litauischen Europabegeisterung unsicher.

Das Referendum gegen die Erlaubnis des Landverkaufs an Ausländer soll nun zwischen Mai und Juli 2014 durchgeführt werden. Im Ergebnis wäre ein erfolgreiches Referendum - egal ob gegen Landverkauf oder dann gegen den Euro - vielleicht von ähnlicher Wirkung wie die kürzliche Entscheidung der Schweiz zur Begrenzung der Zuwanderung. Auch Länder wie Ungarn, Rumänien oder Bulgarien hätten sich gern den Verkauf von Land nur ihren Staatsangehörigen vorbehalten. Politiker der litauischen Regierungsparteien fürchten daher eine Schwächung der Stellung Litauens gegenüber Brüssel - gerade durch ein erfolgreiches Referendum.

Politiker wie Ex-Regierungschef Landsbergis riefen bereits dazu auf, Unterschriften zugunsten eines Referendums wieder zurückzuziehen. Aber im Mai werden in Litauen auch noch Präsidentschaftswahlen abgehalten - da fühlen sich Kandidaten wie Amtsinhaberinnen geneigt Stellung zu nehmen. Präsidentin Dalia Grybauskaite kandidiert für eine weitere Amtszeit, und ihre Stellungnahme klingt nicht nach klarer Ablehnung der Anti-Landkauf-Stimmung. "Land, und besonders kultiviertes Land, sollte schon hauptsächlich den Staatsbürgern gehören" sagte sie der litauischen Nachrichtenagentur ELTA.

08 Februar 2014

Selten per Bahn


Was ist eigentlich los zwischen Litauen und Estland? Einig Themen scheinen wie geschaffen für speziellen Streit gerade zwischen Esten und Litauern zu sein. War lange Zeit eher Lettland und die Bevorzugung einer Strecke Riga-Moskau der Faktor für Zweifel am "Rail-Baltica"-Projekt, das die drei Länder mit einer schnellen Bahnverbindung ausstatten soll, so werfen sich neuerdings Litauer und Esten hier gegenseitig Inkompetenz vor. "Nur Trottel streiten über dieses Projekt!" sagte der estnische Wirtschaftsminister Juhan Parts dem "WallStreetJournal" und meinte damit offensichtlich die Litauer.

Die EU hat ja bereits zugesagt, 85% dieses Projekts zu finanzieren. Rail Baltica wurde per Beschluß von Parlament und Rat bereits 2004 als Vorrangiges Projekt Nr. 27 des Transeuropäischen Verkehrsnetzes identifiziert. In einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2007 heißt es: " Das existierende Nord-Süd-Streckennetz ist von schlechter Qualität, Service- und Geschwindigkeitsniveau sind niedrig und die Interoperabilität mit dem Rest der EU ist eingeschränkt durch unterschiedliche Standards, besonders durch die unterschiedlichen Spurweiten."

Werbeseite der "Rail-Baltica" Litauen:hier ist die Variante
über Kaunas scheinbar doch schon selbstverständlich
Nun ändert ja dieses eine Projekt fast nichts an diesem Zustand - wer die Preise des "RailBaltica" zahlen kann, wird - wenn die Strecke dann endlich gebaut wird - auch schnell nach Tallinn, Riga oder Vilnius kommen können, und wieder weg. Die Studie sagte es mit anderen Worten: für einen Betreiber von Personenverkehr ist das Projekt nicht rentabel.
Der Rest der Bevölkerung muss ja mit den alten Strecken und Spurweiten sowieso noch länger leben. Nochmals Zitat aus der Studie: "Die Hauptidee von Rail Baltica ist die Entwicklung qualitativ hochwertiger Verbindungen für den Personen- und Güterverkehr sowohl zwischen den Baltischen Staaten und Polen wie auch zwischen den Baltischen Staaten und den anderen EU-Ländern über den Hub Warschau."

Es geht also eher um den Güterverkehr. Die Studie sah drei mögliche Varianten vor - keine davon über Vilnius! Schon damals hätten also die Litauer sich schon einschalten müssen, wenn denn Bahnverkehrsinteressen im Spiel gewesen wären. Nun meinte ja Estlands Regierungschef Ansip, die Routenführung sei Gegenstand von Verhandlungen zwischen der EU und Litauen. Vielleicht meinte er mit dieser Wortwahl auch eher: lasst euch von der EU mal erklären, auf welchem Planungsstand wir eigentlich sind! Dem hält der litauische stellvertretende Verkehrsminister Arijandas Sliupas eine offenbar genauso "taktisch" gemeinte Frage entgegen: alles müsse innerhalb einer gemeinsamen, noch zu gründenden Joint-Venture geklärt werden, die das Projekt dann bauen und betreiben soll. (will sagen: wenn Du uns beleidigst, machen wir gar nicht mit!). Eine Tochterfirma von "Rail Baltica Statyba" ist in Litauen bereits gegründet, 650.000 Euro stellen die Litauer angeblich bereit (siehe ERR). Die litauischen Einwände, vielleicht lieber doch Vilnius einzubeziehen, hatte erst 2013 das litauische Parlament beschlossen.

Da möchte man doch wissen, wer überhaupt mal Bahn fährt in diesen Ländern ...!
Es sieht alles nicht nach konstruktiven Überlegungen von Bahnfans aus. Ob "Rail-Baltica" nun wirklich und endlich realisiert wird, ist leider aus diesem Streit nur sehr schwer abzulesen. Eine gute Alternative zu Billigfliegern und Schnellstraßenausbau wäre schon gut.

Weltmeister im Zugfahren sind übrigens die Schweizer (gemäß dem Internationalen Bahnverband UIC) - sie legten im Jahr 2012 durchschnittlich 2274 km im Zug zurück. Am Ende dieser Statistik stehen, wen wundert es: Lettland, Litauen und Estland. Hier wurde die Bahn (durchschnittlich) nicht mehr als 4mal pro Jahr benutzt.

Aber nutzt "RailBaltica" überhaupt diesen drei Ländern? In Estland wird der neue Schnellzug zum Beispiel nur in Pärnu und in Tallinn halten, in Lettland außer in Riga nur in Jelgava. Daher auch die Diskussion in Litauen: warum Geld ausgeben, wenn nur Kaunas als "Durchgangs- und Umsteigestation" vorgesehen ist?Aber auch die Geschwindigkeit mit der die Züge auf der  "Rail Baltica"-Strecke fahren sollen, ist offenbar noch unklar: 240km (wie es dem Passagierverkehr angemessen wäre), oder doch weniger (um dem Güterverkehr entgegen zu kommen?). Den regionalen Betreibern von Güterverkehr - auch im Zusammenhang mit den baltischen Häfen - wird ebenfalls wenig Interesse an einer Bahnstrecke Richtung Polen bzw. Talinn nachgesagt. Trotz einiger blumiger Ankündigungen: Wer gerne Bahn fährt, wird sich in und um Litauen weiter gedulden müssen.