Wenn es nach den Berechnungen der sogenannten "Mindestlöhne" in
Europa geht, findet sich Litauen eher am Ende der Skala. Aber angesichts
dieser Statistiken ist es auch eine Überlegung wert, was sie eigentlich
aussagen.
Statistische Erhebungen macht in der EU in der Regel "Eurostat".
Damit ist zumindest eines gesichert: in jedem Land wird dieselbe
Fragestellung angewendet. Bei der jüngsten Veröffentlichung zu den
Mindestlöhnen findet sich Litauen auf dem drittletzten Platz wieder (von
24). Dahinter (darunter, von der Summe her gesehen) befinden sich nur
noch Bulgarien und Rumänien. Für Litauen wird ein Mindestlohn von 300
Euro festgestellt (Lettland 360€, Estland 390€, Deutschland 1473€). In
Deutschland ist ja eher der Stundenlohn Gegenstand der Diskussion: 8,50€
pro Stunde wurden kürzlich regierungsamtlich festgelegt.
Diese kann aber nur funktionieren, weil sie mit der sogenannten
"Berichtspflicht" verknüpft ist - alle Arbeitgeber, die ihren
Mitarbeitern weniger als 3.000€ monatlich zahlen sind verpflichtet, die
genauen Arbeitszeiten zu protokollieren. Maximal zulässig sind in
Deutschland 348 Arbeitsstunden monatlich - das sind selbst bei 31 Tagen
im Monat mehr als 11 Arbeitsstunden pro Tag. Litauen dagegen berechnet
monatlich: die 300 Euro würden auch bei nur 8 Stunden pro Tag (x31)
einen Stundenlohn von etwa 1,20 Euro "Mindestlohn" ergeben. So erscheint
es noch logischer, warum so viele Litauer im EU-Ausland auf Jobsuche
gehen müssen.
Doch Eurostat variiert die eigenen
Statistiken ja auch selbst noch zweimal. Bezogen auf die
Durchschnittsverdienste in den jeweiligen Staaten liegt der litauische
Mindestlohn hier bei 53%, heißt es hier (Estland 40%, Lettland 50%,
Deutschland 49%). Es gibt ja auch die Meinung, die Definition von
"Armut" wäre bereits bei allen anzusetzen, die weniger als 50% des
Durchschnittslohnes bekommen.Seit 2008 ging der Mindestlohn demzufolge
nur in Griechenland zurück - in Litauen stieg er um 29%, in Lettland
+57%, in Estland +40%.
Und dann rechnet Eurostat noch einen
"Kaufkraftstandard" aus. Dort sollen dann "Preisniveau-Unterschiede"
berücksichtigt werden. So gerechnet, landet Lettland plötzlich im
Mittelfeld der Euro-Länder - der Mindestlohn von 360€ hat laut Eurostat
einen "Kaufkraftwert" von 507 Euro. Estland landet, dieser Rechnung
zufolge, bei 488€, Litauen bei 464€. Deutschland liegt auch nach dieser
Rechnung übrigens weit vorn: mit 1481€ auf Platz 2 nach Luxemburg.
Aus
deutscher Sicht wäre es interessant, mal umgekehrt darüber
nachzudenken: wie fühlt sich das an, in Litauen zu arbeiten? Was brauche
ich mindestens? Zwei Tipps dazu. Der eine stammt vom "Jugendnetz",
einem von mehreren Jugendstiftungen betriebenen Infoportal. Hier findet
sich eine Liste von "Lebenshaltungskosten", die für den Fall eines
Praktikums oder Studiums im Ausland hilfreich sein sollen.
Berücksichtigt werden hier: Getränke, Tabak, Nahrungsmittel, Bekleidung
und Schuhe, Heizung, Wasser,
Strom, Ausgaben in Hotels und Gaststätten, Aus- und Weiterbildung,
Kraftfahrzeug-Betriebskosten, Gesundheitsausgaben. Für Litauen werden
hierfür 300€ monatlich angesetzt (Lettland 400€, Estland 600€) - mit
einem deutlichen Verweis auf das (teure) Leben in den Hauptstädten
allerdings.
Nehmen wir nun eine der Quellen, das "European Job Mobility Portal" (EURES), so finden sich hier noch Angaben in Litas: 854Litas pro Haushalt und Monat (das wären knapp 270Euro) auf dem Lande
und 923Litas (290€) in der Stadt. Allerdings bezieht sich das ausschließlich
auf das Allernotwendigste: Lebensmittel, Wohnen, Wasser, Strom, Gas und
andere Energieträger, für Gesundheitsvorsorge und Bildung.
Freizeitgestaltung, Kultur und Vergnügen kostet extra.
Litauische Haushalte gaben (bezogen auf 2012) ein Drittel (33,7 %) aller Konsumausgaben für Lebensmittel aus. Wachsende Ausgaben für Lebensmittel werden auch dadurch beeinflusst - Zitat EURES - "dass die Einwohner häufiger zu Hause essen – die Ausgaben für Cafés, Restaurants und Mensen sanken." Bei Studierenden aus dem Ausland werden die Gewohnheiten sicher gern anders organisiert. 19,4% der Ausgaben in den Städten muss dann für Wohnen, Wasser, Elektrizität, Gas zurückgehalten werden. EURES fasst die Folgen so zusammen: "Mit dem Ansteigen der notwendigsten Ausgaben bei nahezu nicht gewachsenem Einkommen, sparen die Einwohner bei der Wohnungseinrichtung und Haushaltsausstattung, Freizeit, Kultur, Cafés und Restaurants."
Tja, keine super Voraussetzungen, um in Litauen auch Litauerinnen und Litauer kennenzulernen: Während die Einheimischen aus ihren Vorräten zu Hause etwas zubereiten (wenn sie nicht gleich im Ausland arbeiten gehen müssen), sitzen die Auslandsstudenten und Touristen in den litauischen Restaurants und Kneipen, mit den Augen wahrscheinlich auf Preisvergleiche mit Deutschland. Schade eigentlich. Ironisch gesagt: daran kann auch Putin nichts ändern. Bevor es Litauen wirklich im europäischen Vergleich "gut" geht, ist noch viel zu tun!
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