03 August 2007

Radfahren – in Litauen ein Verbrechen?

Polizei verhaftet mehrere Radfahrer bei Demonstration in Vilnius

Bereits seit über 2 Jahren rollt es auch durch Litauen: „Critical Mass“, eine Spontandemonstration, bei der sich einmal im Monat Radfahrer und Inline-Skater zusammenfinden um friedlich durch die Straßen zu ziehen. Am vergangenen Freitag, den 27. Juli 2007, eskalierte die Situation: Sechs Polizeieinsatzwagen blockierten eine Kreuzung mit dem Zug der rund 100-200 Radfahrer und begannen die Personalien aufzunehmen. Unterschiedlichen Quellen zufolge sollen fünf bis zehn Radfahrer verhaftet und gegen sie Strafanzeige gestellt worden sein.

Es ist schwer verständlich, warum die Polizeibeamten plötzlich – nach über zwei Jahren Toleranz - so einen Übereifer an den Tag legten. Ramūnas Janavičius, Dozent an der Universität Vilnius und Mitstreiter der Öko-Info-Seite www.ekoblogas.info sieht es im Zusammenhang mit der neuen Stadtverwaltung. Auf dem Posten des Bürgermeister der Hauptstadt sitzt Juozas Imbrazas, ein Mann des wegen Landesverrates entmachteten Präsidenten Rolandas Paksas. Seine Partei, ursprünglich „Liberaldemokraten“ in Anlehnung an den russischen Rechtsaußen Wladimir Zhirinowski, nennt seit kurzem nur noch „Ordnung und Gerechtigkeit“.

Die Polizei rechtfertigte sich jedoch mit allgemeinen Kontrollen gegen Motorrad- und Motorrollerfahrer, sowie dass es Beschwerden über die Verkehrbehinderung durch die Radfahrer gegeben hätte. Nach den litauischen Verkehrsregeln dürfen Radfahrer nur auf Radwegen bzw. am äußersten rechten Fahrbahnrand fahren.

Die „Critical Mass“ Demonstrationen begannen weltweit 1992 in San Francisco, USA, um auf die immer stärker bedrängte Situation der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer hin zu weisen und die „die Straße zurückzuerobern“. Formal gibt es keine Organisatoren: Man trifft sich zu einem verabredeten Zeitraum am verabredeten Ort und fährt durch die Stadt. Trotzdem gibt es strenge Verhaltensregeln: Außer dass man eine Richtung der Fahrbahn einnimmt, unternimmt man keine anderen Aktionen. Es ist keine politische Demonstration, die keine anderen Ziele verfolgt, als in einer Auto freundlichen Gesellschaft auf die Anliegen von Radfahrern, Skatern, Fußgängern und anderen hinzuweisen. Aufsehen erregte diese Aktion in Budapest (Ungarn) vergangenes Jahr mit über 40.000 Teilnehmen. Seit 2005 gibt es sie auch in Litauen, in der Zwischenzeit außer in der Hauptstadt Vilnius auch in Kaunas, Šiauliai, Visaginas und Palanga. Der Vilniusser Teilnehmerrekord liegt bei über 300 Teilnehmern. Hier trifft man sich jeden letzten Freitag im Monat um 18 Uhr auf dem Platz der Kathedrale.

Weitere Infos (Litauisch)

Seite der „Critical Mass“, Litauen

http://cm.hardcore.lt/doku.php

Berichte & Nachrichten über die Festnahmen

Radfahren – ein Verbrechen?

http://ekoblogas.wordpress.com/2007/07/29/ar-vaziuoti-dviraciu-nusikaltimas-kritine-mase/

Im Nachrichtenportal Delfi:

http://www.delfi.lt/news/daily/lithuania/article.php?id=13935069

In der Internetzeitung alfa.lt

http://www.alfa.lt/straipsnis/145254

Im Portal der größten Litauischen Tageszeitung „Lietuvos Rytas“

http://lrytas.lt/?data=20070730&id=11857897391183655286&view=4

Beim litauischen nationalen Radio und Fernsehen

http://www.lrt.lt/photo.php?strid=3597374&id=3916385

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